
Brand Storytelling: Warum die besten Marken keine Produkte verkaufen
Brand Storytelling: Warum die besten Marken keine Produkte verkaufen
05.11.2025
05.11.2025
Als ich 6 Jahre alt war, verbrachte ich einen Tag mit meinem Vater in der Autofabrik, in der er arbeitete. Es war ein Familienfest in der Fabrik. Ein strahlend sonniger Tag. Alle Mitarbeiter waren mit ihren Familien dort und erkundeten die riesige Fabrik. Ich erinnere mich nicht mehr an viel von diesem Tag, außer an die Roboterarme und die Probefahrt auf der Teststrecke. Aber ich erinnere mich daran, wie ich mich gefühlt habe. Ich erinnere mich an die Begeisterung, die Freude und die Enthusiasmus. Seitdem bin ich ein großer Fan von Fiat.
Ist Fiat ein großartiges Auto? Nicht besonders.
Ihr könnt mir eine lange Liste von Produktfeatures aufzählen und erklären, warum manche Konkurrenten besser performen. Das ist mir egal. Ich liebe Fiat und würde einen Fiat 500 jedem anderen Kleinwagen vorziehen, egal ob das Sinn macht oder nicht. Weil diese Marke mich glücklich macht. Und das ist es, was wirklich zählt.
Das ist die Macht von Brand Storytelling. Es geht darum, langfristig emotionale Bindungen zu eurem Publikum aufzubauen.

Fakten werden vergessen, aber Geschichten bleiben
Ja gut, für manche Produkte, die mir sehr wichtig sind, bin ich manchmal auch ein Feature-Nerd. Aber hier ist eine unbequeme Wahrheit für alle Feature-Nerds da draußen: Unser Gehirn ist nicht für Spezifikationen gemacht. Studien zeigen, dass sich Geschichten bis zu 22-mal besser einprägen als reine Daten.
22-MAL! 🤯
Zweiundzwanzig.
XXII.
Das liegt daran, dass Geschichten mehrere Gehirnareale gleichzeitig aktivieren. Wenn ihr „5.000 mAh Akku“ hört, blinkt kurz eine neuronale Glühbirne auf und erlischt wieder. Wenn ihr aber hört, wie jemand auf einem dreitägigen Festival ohne Steckdose und mit so einer Powerbank überlebt hat, feuern Emotionszentren, visuelle Cortexe und Erinnerungsnetze gleichzeitig.
Doch hier kommt das Wichtigste: Eine Brand Story zu erzählen ist nicht so leicht. Ein Standard-Mensch heutzutage kommt mit einem eingebauten Bullshit-Radar, das präziser ist als jeder Lügendetektor. Eine aufgesetzte, unechte Story? Die wird schneller entlarvt, als ihr „Authentizität“ sagen könnt.
Authentisches Brand Storytelling ist der entscheidende Faktor, ob Kund:innen bleiben oder zur Konkurrenz abwandern. Es geht nicht mehr darum, wer das beste Produkt hat (viele Produkte sind ohnehin austauschbar), sondern wer die bessere Geschichte erzählt.
Denn Geschichten schaffen etwas, das Features nie können: echte Verbindung.
Und Verbindung schafft Vertrauen. Und Vertrauen schafft Loyalität.
Schauen wir uns an, wie die Großen das machen.
Airbnb: Belong Anywhere
Airbnb hätte sagen können: „Wir bieten günstige Unterkünfte weltweit.“
Stattdessen erzählen sie Geschichten von Gastgeber:innen – vom pensionierten Fischer in Japan, der seine Kultur teilt, bis zur queeren Community in San Francisco, die einen Safe Space bietet. Plötzlich bucht ihr nicht mehr ein Zimmer. Ihr werdet Teil einer Geschichte. Airbnb vermietet nicht einfach Räume, sondern vermittelt das Gefühl von Zugehörigkeit.

Spotify Wrapped: Eure Story, euer Social-Media-Moment
Jeden Dezember explodiert Instagram mit denselben bunten Grafiken: Spotify Wrapped. Aber warum posten Millionen Menschen freiwillig Werbung für Spotify? Weil Spotify etwas Geniales getan hat: Sie haben eure Daten in eine persönliche Geschichte verwandelt.
„Du hast 2.547 Minuten Indie-Rock gehört und warst im Top 1 % der Fans dieser Band.“ (Mein war Parov Stelar, bevor meine Tochter mein Algorithmus kaputt gemacht hat. Jetzt bin ich unter den Top-Fans von Simone Sommerland.)
Das ist nicht nur ein Jahresrückblick, das ist eure musikalische Identität, verpackt in eine teilbare, emotionale Story.
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Nike: Find Your Greatness
Der kleine Junge im Titelbild oben, der gleich ins Schwimmbecken springen wird. Der Amateur-Läufer, der seinen ersten Marathon finisht. Die Tennisspielerin mit Hijab, die alle Erwartungen sprengt. Der ältere Herr, der trotz Parkinson trainiert. Nike könnte euch von Luftkissen in der Sohle erzählen oder von atmungsaktivem Mesh. Stattdessen erzählen sie von Menschen, die ihre Grenzen überwinden. Jetzt kauft ihr keine Schuhe mehr, ihr kauft die Motivation, selbst Held:innen eurer eigenen Geschichte zu werden.
“Somehow we’ve come to believe that greatness is only for the chosen few, for the superstars.
The truth is, greatness is for us all.
This is not about lowering expectations; it’s about raising them for every last one of us.
Greatness is not in one special place, and it’s not in one special person.
Greatness is wherever somebody is trying to find it.”

Just did it. Obwohl ich eher ein Adidas-Fan bin, hatte ich an dem Tag meine Nike Laufschuhen an. 🤔 🤷♂️
LEGO: Rebuild the World
Mit „Rebuild the World“ hat LEGO etwas Cleveres gemacht: Sie haben die Geschichte nicht zu Ende erzählt. Stattdessen haben sie eine Einladung ausgesprochen: „Hier sind die Bausteine – jetzt erzählt ihr uns eure Geschichte.“
Ob es der Achtjährige ist, der eine Rollstuhlrampe aus LEGO baut, oder die Künstlerin, die ganze Stadtlandschaften erschafft – jede:r wird zum Storyteller. LEGO ist nicht mehr nur Spielzeug. Es ist ein Medium für grenzenlose Kreativität.
Coca-Cola: 130 Jahre Emotionen in Flaschen
Seien wir ehrlich: Coca-Cola ist gezuckertes Wasser mit Koffein. Aber wenn ihr an Coca-Cola denkt, denkt ihr nicht an die Zutatenliste. Ihr denkt an die Weihnachtswerbung mit dem leuchtenden Truck. An die Eisbären. An Essen mit Familie und Freund:innen. An Nostalgie.
Coca-Cola verkauft keine Limonade. Sie verkaufen Momente. Und das seit über einem Jahrhundert. Ihre Weihnachtskampagnen sind einfach ikonisch. Hier ist die letzte:
Apple: Die Garage, der Mythos, die Rebellion
Zwei Nerds in einer Garage haben einen Computer gebaut, der die Welt veränderte. Das ist die Gründungsgeschichte von Apple – und sie ist brillant. Nicht, weil sie wahr ist, sondern weil sie ein archetypisches Narrativ anzapft:
David gegen Goliath. Die Außenseiter gegen das Establishment. Die Rebellen gegen die grauen Anzüge von IBM. „Think Different“ war keine Produktbeschreibung. Es war ein Identitätsangebot. Wenn ihr Apple kauft, kauft ihr nicht nur Technologie, sondern ihr kauft das Gefühl, anders zu sein, visionär zu sein, zu den Vordenker:innen zu gehören. Selbst heute, als Multi-Billionen-Dollar-Konzern, verkauft Apple noch immer diese Gründerstory. Weil sie funktioniert.
3 Zutaten eines gutes Brand Storys
Alle diese Geschichten haben drei Dinge gemeinsam:
Mensch im Zentrum
Keine dieser Marken erzählt von sich selbst. Sie erzählen von euch – von euren Träumen, euren Struggles, euren Momenten. Die Marke ist nur das Werkzeug, das euch zum Helden eurer eigenen Geschichte macht.
Eine Bullshit-Freie Geschichte
Ihr könnt eine Geschichte nicht erfinden. Ihr könnt nur die Geschichten finden, die bereits in eurer Marke stecken. Airbnbs Gastgeber:innen existieren wirklich. Nikes Athlet:innen sind echt. Spotify Wrapped basiert auf tatsächlichen Daten. Fake it till you make it? Nicht beim Storytelling.
Aufruf zur Interaktion
Die stärksten Geschichten sind die, bei denen das Publikum mitmacht. LEGO lädt zum Bauen ein. Spotify zum Teilen. Nike zur Transformation. Wenn Menschen Teil der Geschichte werden, wird aus Konsum Identität. So wie meine persönliche Verbindung zu Fiat, die ich am Anfang erwähnt habe. Ich bin Teil der Fiat-Story, seit ich ein Kind bin.
Die Macht des Brand Storytellings
Features werden kopiert. Preise werden unterboten. Technologie wird überholt.
Aber ein gute Brand Story?
Die bleibt.
Sie wird weitererzählt, erinnert, gefühlt.
Sie verwandelt Kund:innen in Fans, Transaktionen in Beziehungen, Marken in Bewegungen.


